Resilienz und die Kunst, Nein zu sagen

Veröffentlicht am 13. Januar 2025 um 19:24

Warum „Nein“ sagen schwerfällt – und wie es Ihre Gesundheit und Führungsstärke schützt

In einer Welt, die von ständiger Verfügbarkeit und Leistungsdruck geprägt ist, wird Nein-Sagen oft als Schwäche missverstanden. Tatsächlich ist es jedoch ein essenzielles Werkzeug, um physische und mentale Gesundheit zu bewahren – insbesondere für Führungskräfte, die täglich mit hohen Anforderungen konfrontiert sind. In diesem Artikel beleuchten wir, warum viele Menschen das Nein-Sagen verlernt haben, welche Folgen dies hat und wie du mithilfe der NGA-Formel klare Grenzen setzen kannst, ohne an Professionalität einzubüßen.


Gründe, warum wir das Nein-Sagen verlernen

Unsere Beziehung zum Wort „Nein“ beginnt schon in der Kindheit. Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen reagieren oft negativ, wenn Kinder ihre Grenzen durch ein Nein ausdrücken. Aussagen wie „Sei doch nicht so unhöflich“ oder „Drück die Oma jetzt mal“ vermitteln unbewusst, dass ein Nein unangebracht oder egoistisch ist. Schlimmer noch, emotionale Erpressung wie „Du willst doch nicht, dass ich traurig bin“ lässt Kinder ihre physischen und emotionalen Grenzen infrage stellen. Bedauerlicherweise wird Kindern damit anerzogen, ihre körperlichen Grenzen nicht zu wahren. in der Folge wird gewaltsamen oder sexuellen Übergriffen bis ins Erwachsenenalter Tür und Tor geöffnet, weil das Kind nie lernt, sich körperlich abzugrenzen. Das darf es eben auch bei geliebten Menschen!

Diese frühen Erfahrungen prägen das Unterbewusstsein. Sie führen dazu, dass viele Erwachsene ein „Ja-Sager“-Muster entwickeln, um Konflikte zu vermeiden oder die Erwartungen anderer zu erfüllen. Insbesondere in beruflichen Kontexten verstärken soziale Normen und Hierarchien diese Dynamik. Führungskräfte, die oft als Vorbilder agieren, fühlen sich besonders verpflichtet, immer verfügbar zu sein und andere nicht zu enttäuschen. Doch dieses Verhalten hat seinen Preis.


Gesundheitliche Folgen des ständigen Ja-Sagens

Wer immer Ja sagt, ignoriert seine eigenen Bedürfnisse – mit potenziell gravierenden Folgen:

Psychische Auswirkungen

  • Selbstwertverlust: Ständiges Nachgeben untergräbt das Selbstbewusstsein. Man fühlt sich wertlos, weil eigene Grenzen scheinbar keine Bedeutung haben.
  • Burnout-Risiko: Chronische Überforderung durch mangelnde Abgrenzung kann zu Erschöpfung und letztlich zum Zusammenbruch führen.
  • Angststörungen und Depressionen: Das Gefühl, den Erwartungen nie gerecht zu werden, erhöht das Risiko für psychische Erkrankungen.

Körperliche Symptome

  • Chronischer Stress: Permanente Anspannung wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus und kann Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen.
  • Muskelverspannungen: Besonders Rückenschmerzen treten bei Führungskräften häufig auf, wenn die mentale Last zu groß wird.

Führungskräfte, die ständig über ihre Kapazitäten hinaus arbeiten, sind zudem weniger produktiv, was langfristig sowohl ihrem Team als auch dem Unternehmen schadet.


Die NG(A)-Formel: Nein sagen mit Klarheit und Selbstbewusstsein

Ein klares Nein ist weder unhöflich noch egoistisch – es ist eine notwendige Form des Selbstschutzes. Die NGA-Formel hilft dabei, Grenzen zu setzen, ohne dabei an Respekt oder Professionalität einzubüßen.

1. N – Nein sagen ohne Entschuldigung

Beginne mit einem klaren, direkten Nein. Vermeide es, sich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Beispiel: „Nein, das passt gerade nicht in meinen Zeitplan.“

2. G – Grund nennen

Ein kurzer, sachlicher Grund gibt deinem Nein Gewicht und vermeidet Missverständnisse. Beispiel: „Ich habe bereits andere Prioritäten, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern.“

Das darf reichen. Alle von uns dürfen sich darin üben, mit dem Erteilen solcher "Klatschen" komfortabel zu werden. Wir dürfen auch üben, den gelegentlichen Unmut unseres Umfeldes über unser Nein auszuhalten.

3. A – Alternative anbieten

Falls möglich und nötig, schlage eine Lösung vor, die zeigt, dass du kooperativ bleibst. Beispiel: „Vielleicht könnte Kollege XY die Aufgabe übernehmen.“

Nicht immer ist dies notwendig und sinnvoll: Ich weise darauf hin, dass nicht jedes Nein verlangt, mit einem Alternativangebot "zu Kreuze zu kriechen." So könnte das Alternativangebot fehlinterpretiert werden. Hier gilt es Gespür für den gegenüber und die Situation zu entwickeln.

 

Beispiel: Nein sagen in der Praxis

Frau Meier, eine Führungskraft, wird gebeten, ein dringendes Projekt zu übernehmen, obwohl sie bereits ausgelastet ist. Sie entscheidet sich, die NGA-Formel anzuwenden:
„Nein, ich kann diese Aufgabe momentan nicht übernehmen, da meine Kapazitäten erschöpft sind."

An dieser Stelle kann das Gespräch enden.

"Vielleicht könnte Herr Müller einspringen, der mehr Zeit hat.“ oder "In voraussichtlich 3 Tagen ist mein aktuelles Projekt weitgehend abgeschlossen. Dann könnte ich mir das neue Projekt ansehen." So könnten Alternativangebote von Frau Müller aussehen.

Ob mit oder ohne Alternativangebot: Frau Meier bleibt authentisch und zeigt Verantwortung für ihre Gesundheit. Damit ist sie für ihr Team Vorbild in Sachen Selbstfürsorge. Das Team sieht sie als klare, respektvolle Führungspersönlichkeit.


Fazit: Abgrenzung als Schlüssel zu Resilienz und Führungsstärke

Nein zu sagen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Es schützt Ihre physische und mentale Gesundheit, stärkt Ihr Selbstbewusstsein und schafft Klarheit in Ihren Beziehungen – privat wie beruflich. Führungskräfte, die ihre Grenzen wahren, schaffen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihr Team eine gesunde und produktive Arbeitsumgebung. Nein sagen steigert unseren Selbstwert und zeigt anderen, dass wir diesen kennen. 

Beginne noch heute, das Nein-Sagen zu üben – für dich selbst und für die, die auf dich schauen. Fange in unbedeutenden Situationen an, in denen dein Nein nicht zu zu gravierende negative Auswirkungen hat. (bspw. "Ich gehe zum Supermarkt. Möchtest du auch was?" - "Nein. Danke."/ "Ich habe gebacken. Willst du probieren?" - "Nein. Danke."...)

Kultiviere ein Gefühl dafür, wann du mit Nein antworten möchtest, doch bisher meist mit Ja geantwortet hast. Dein Bauchgefühl wird dabei helfen - dein Selbstwertgefühl, deine Gesundheit und Führungsstärke werden es dir danken!

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